(Addendum„Addenda“ zu den Büchern zu: Abschied vom „Leib-Seele-Problem“)
Im Nachlass ist noch eine Weiterführung des letzten im Buch enthaltenen Textes aufgetaucht.
Es wurde ein Fragment eines Entwurfes gefunden, der dem im Buch gedruckten Text „Ich bin nicht ‘ein Mensch’“ zugrunde liegt. In diesem Entwurf wird der Text noch etwas weitergeführt: Nach dem Punkt 4, mit dem der abgedruckte Text aufhört (S.92, Schluss: „In der Berücksichtigung der Fähigkeit des Todes liegt der Schlüssel zum Verständnis des Ursprungs der ‘Logik’.“), geht es mit zwei weiteren Punkten weiter. Im Entwurf sind sie mit „4“ und „5“ nummeriert. Da die Zählung in der Umarbeitung zur neueren Version (die Ballmer also offenbar nicht zu Ende führte) gestrafft wurde, nummerieren wir sie hier der Einfachheit halber mit „5“ und „6“. – Wir legen Wert auf dieses „Addendum“, weil hier der von Ballmer oft zitierte „eigentliche Inhalt“ des Kontradiktionsgesetzes bei Aristoteles („Tabuierung der Frage: ob es einen physischen Menschen gibt, der zugleich sterblich und ewig ist“, siehe ebenfalls S.92) „geistvoll“ über Brentano hergeleitet wird.
Vorweg dazu Anmerkungen:
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Die Wortverbindung „allgemeiner Mensch“ ist nach Aristoteles/Brentano unsinnig, da einen Widerspruch enthaltend. Es war nun Franz Brentano, der mittels der Verabsolutierung des „Kontradiktionsgesetzes“ das hochbedeutsame Universalienproblem kalt stellte, während die Frage der Universalien, d.h. die Frage, ob Allgemeines geistige Existenz habe, von andern, ebenfalls katholischen Denkern als das eigentliche Zentralproblem vergangener und künftiger philosophischer Entwicklung angesehen wird. Brentano aber folgt den Spuren des Aristoteles, der die Ansicht Platos von der Existenz der Ideen verwarf. Erst Franz Brentano hat in wirklich geistvoller Weise den Grund aufgedeckt, der Aristoteles zur Verwerfung Abwehr des Platonischen Glaubens an die Existenz von Allgemeinem nötigte. In seiner Aristoteles-Monographie von 1911 zeigte der fallierte römische Priester Brentano, dass es die Autorität des Kontradiktionsgesetzes ist, die den Glauben an Allgemeines extra rem verbietet. „Ein wichtiger Satz“, schrieb Brentano, „den Aristoteles als einen Fall des Kontradiktionsgesetzes begreift, ist der, dass es in Wirklichkeit kein Allgemeines außer den ihm entsprechenden Einzeldingen geben könne, also z.B. nicht außer den einzelnen Löwen einen Löwen an sich, wie ihn Platon gelehrt hatte. In der Tat, was wäre unter einem solchen Löwen im allgemeinen zu verstehen, wenn nicht etwas, dem alles das zukäme, was von allen Löwen gilt, nichts aber von dem, was dem einen im Unterschied vom anderen zukommt? Aber gerade das ist allen einzelnen Löwen gemeinsam, dass sie einzelne Löwen sind. Und somit wäre der allgemeine Löwe vielmehr selbst zugleich nur ein einzelner Löwe. Und so müsste er auch an irgend einem Orte sein, fressen und trinken und einem Stoffwechsel unterliegen, weil dies ja allen gemeinsam ist.“
Mit seiner Nach der Abschlachtung des monumentalen Universalienproblems konnte entwickelte [?] der fallierte römische Priester Brentano immer noch einen „rationalen Theismus“ inszenieren – auf dem Grübelgelände der liberalen Tröpfe. Wir aber statuieren: In der Tat, der allgemeine Mensch wird gewiss ein bestimmter Einzelmensch sein müssen. Unsere Lösung des Universalienproblems, an dem sich die ehrenwerten Scholastiker die Zähne ausbissen, versöhnt den Nominalismus und den Realismus. Beide haben recht: Hans Meyer ist „bloß“ ein Name – zur späten Ehrung der fortschrittlichen Nominalisten einschließlich des großen Fritz Mauthner; ferner ist Hans Meyer das geistig existierende Allgemeine „der Mensch“ – zur Rehabilitierung des Realismus der getreuen Platoniker – und nebenbei allerdings auch zur Verunehrung des körperlosen Philosophen- und Kirchengottes.
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Um unsere Idee der menschlichen Gattung weiter mit Inhalt auszufüllen, ist jetzt zu fragen was die dem Hans Meyer eignende die Fähigkeit des Todes, mit welcher der Hans Meyer in den Menschenleuten deren vermeintlich eigenes Sterben vollzieht, für den Hans Meyer selbst ist. Der Besitz der Fähigkeit des Todes bedeutet für den Hans Meyer selbst: Er führt sein Dasein als Erinnerung. Er existiert als Innerung: Geist. – Wenn ein Kieselstein zu sich selbst in ein Verhältnis treten wollte, wozu er zweimal vorhanden sein müsste, indem er einmal als sein Dasein und einmal als sein Nichts existierte, so hätte er das Selbstverhältnis durch das Urteil auszudrücken: „Ich bin verschieden, meine Selbstidentität ist meine Verschiedenheit.“ Mit der Gunst der deutschen Sprache würde damit der „verschiedene“ Kieselstein gesagt haben: „Ich bin tot“. Der Tod des Kieselsteins wäre der Akt seiner Ver-Innerung. Sofern es diesen Akt geben könnte, gäbe es „Geist“, wogegen das volkstümlich fromme Reden von Gott und Geist der pure Leichtsinn wäre.
An der menschlichen Gattung ist ihr Gehirn ihr vorzüglichstes Merkmal. In Jahrmillionen hat eine Weltentwicklung dieses Gehirn als ihr Letztes und Äußerstes hervorgebracht. Nun gilt es, weil unter Weltentwicklung jedenfalls ein geschlossener Kreisprozess vorzustellen ist, das Letzte der Entwicklung als die wirkende Ursache des Anfanges der Entwicklung zu wissen, den Anfang der Welt als die Wirkung ihres Endes.