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Donnerstag, 3. Februar 2005

Formblütenpracht aus dem Hamburger Garten der Moderne

Kunsthalle und Hamburger Sparkasse zeigen in einer gemeinsamen Ausstellung Werke von Karl Ballmer, Richard Haizmann und Rolf Nesch

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Aus der Website der Tageszeitung Die Welt

von Julika Pohle

Einem vielgestaltigen Garten voller symbiotischer Gewächse bewunderungswürdiger Natur muß Hamburg während der Zwanziger Jahren in künstlerischer Hinsicht geglichen haben. Die von fortschrittlichen Museumsdirektoren wie Max Sauerlandt und Gustav Pauli bereiteten Beete zur Kunstsaat wurden von Förderern und Sammlern unter den Bürgern beackert und gepflegt, so daß junge Künstler in der Stadt gedeihen, wachsen und schließlich erblühen konnten. So entstanden neue Kunstrichtungen in ungeahnter Vielfalt.

Vor allem die Werke der Kunstvereinigung „Hamburgische Sezession“ füllten den Garten der norddeutschen Moderne. Drei Künstlern aus dieser Runde widmen die Kunsthalle und die gegenüberliegende Galerie 1 der Hamburger Sparkasse jetzt eine gemeinsame Ausstellung. Das Wichtige an Karl Ballmer, Richard Haizmann und Rolf Nesch sei nicht die Tatsache, so Kurator Ulrich Luckhardt, daß sie der Sezession angehörten: vielmehr hätten diese drei Wahlhamburger die Kunst der Stadt revolutioniert, indem sie die Modernebestrebungen der hiesigen Künstlervereinigung noch übertroffen, ja revolutioniert hätte. „Eine Revolution des Formgefühls“ heißt entsprechend die Schau, aus diesem Wort von Max Sauerlandt spricht der Stolz eines Gärtners, dessen Blütenpracht alle Naturgesetze sprengt.

Tatsächlich hält die Kunst von Ballmer, Haizmann und Nesch nicht viel von Gesetzen und Traditionen. Der Schwabe Nesch (1893 - 1975), der in der Kunsthalle als Maler aber vor allem als Druckgrafiker vorgestellt wird, wollte vor allem eines: experimentieren. Seine Druckplatten, die zum Teil in der Schau zu sehen sind und selbst skulpturalen Kunstwerken gleichen, bearbeitete der allem Undenkbaren offene Mann in wildem Schaffensdrang. Er zersägte die Platten, zerätzte sie, lötete an anderer Stelle wieder Teile an, spielte mit den Spuren, die Lötzinn oder Draht im weichen Papier hinterließen. „Karl Muck und sein Orchester“ ist eine Serie, bei der die Vehemenz der Plattenbearbeitung spannungsvoll korrespondiert mit der musikalischen Fülle, die man zu hören meint, wenn man die großen Gesten des Dirigenten sieht, die überdimensionalen Instrumente, die Nesch ungestüm und zugleich harmonisch ins Bild setzt: mit Pauken und Trompeten gelingt das Experiment eines druckgrafischen Ausnahmenzustandes.

Auch Karl Ballmer (1891 - 1958) aus Aarau in der Schweiz, wie Nesch im „Hamburger Gang“ ausgestellt, hat sich als Grafiker betätigt. Doch der anthroposophisch geprägte Künstler, dessen Arbeiten wenig an Rudolf Steiners Kunstvorstellungen erinnern, wird hier hauptsächlich als Maler gezeigt. Als Motive wählte er etwa archetypische Köpfe, die er auf unerhört unorthodoxe Weise wirken läßt, auch seine Stadtansichten und Landschaften zählen „zum Modernsten, was in Hamburg in den frühen dreißiger Jahren entstanden ist“, so Luckhardt.

Die Arbeiten von Richard Haizmann (1895 - 1963), eines Autodidakten aus Villingen im Schwarzwald, sind in der Galerie 1 zu sehen. Als Ballmers Freund interessierte auch ihn die Anthroposophie. Dabei pflegte er eine einfache Formensprache, die er in der Malerei, der Druckgrafik und der Skulptur anwandte. Etwas Geistiges, also das Wesen der Dinge abzubilden, sei sein Bestreben gewesen, so Ina Ewers-Schultz, die diesen Teil der Schau kuratierte. Mit einem Blick, der sich nach Innen richtet, bediente sich Haizmann der schlichten äußeren Linie - gleichermaßen bei der Abbildung von Mensch und Tier. Die entstandenen Skulpturen sind elegant, stets reduziert, oft an der Grenze zur Abstraktion.

Ab 1934 wurden zahlreiche Werke Haizmanns durch die SA vernichtet oder 1937 in der Ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt. Ballmer erhielt 1936 Berufsverbot. Nesch emigrierte 1933 nach Norwegen. Auch in Hamburg hatten die Nazis stumpf den Garten der Moderne zertrampelt - die „Revolution des Formgefühls“ aber konnten sie nicht aufzuhalten, das sehen wir heute.

Artikel erschienen am Mit, 2. Februar 2005


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