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Dienstag, 25. September 2001

Der Mann, der fast alles geschenkt bekam

Über den Hamburger Kunstwissenschaftler und Sammler Max Sauerlandt (1880 bis 1934).

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[Aus der Tageszeitung Die Welt, Dienstag, 25. September 2001]

Max Sauerlandt sammelte nicht nur für das Museum, sondern auch für den Hausgebrauch – nur teuer durfte es nicht sein

Von Doris Blum

„Ich bin eigentlich kein Kunsthistoriker sondern Sammler. Mein Sein ist es, Kunstwerke ins rechte Licht zu rücken, aus versteckten Händlervitrinen, Schubladen und Kästen das Richtige herauszugreifen und es so aufzustellen, dass es in seiner individuellen Bedeutung erkennbar wird.“ Voilà! Das ist das Berufsverständnis von Max Sauerlandt (1880 bis 1934), einem der mutigsten und anregendsten Museumsdirektoren zwischen den Weltkriegen. In Berlin geboren, in Hamburg aufgewachsen, promovierte er 1905 bei dem großen Heinrich Wölfflin und begann seine Laufbahn als Assistent von Justus Brinckmann, dem ersten Direktor des Museums für Kunst und Gewerbe in Hamburg. Schon 1908 wurde der junge Mann zum Leiter des Städtischen Museums in Halle berufen, 1919 trat er die Nachfolge Brinckmanns in Hamburg an.

Hier war die Arbeit mit den vorhandenen Beständen, ihre Neugliederung und ihr kontinuierlicher qualitätvoller Ausbau sein wichtigstes Anliegen. Darüber hinaus wurde Sauerlandt ein leidenschaftlicher Verfechter der zeitgenössischen Kunst, besonders des deutschen Expressionismus. Als erster deutscher Museumsmann machte er Nolde und die „Brücke“-Künstler museumswürdig. Schon 1913 hatte Sauerlandt für Halle ein frühes Figurenbild Noldes angekauft, „Das Abendmahl“ von 1909. In der Kunstwelt beschwor er damit einen Eklat herauf. Besonders Wilhelm von Bode, der Direktor der Berliner Gemäldegalerie, attackierte ihn ganz fürchterlich. Doch er bot ihm Paroli und das erste Noldebild zog in eine öffentliche Sammlung ein. Sauerlandt besaß auch eine umfangreiche private Kollektion, besser gesagt ein Sammelsurium. Reise-Mitbringsel wie Essgefäße aus Serbien, Handgewebtes aus Polen, Vasen aus Ostafrika, eine Berliner Tortenplatte, eine holländische Taufschale, ein Stövchen aus den Vierlanden waren nach Lust und Laune zusammengewürfelt. Denn für diesen Museumsmann existierte kein Wertgefälle zwischen bildender Kunst und den angewandten Künsten.

Der Ästhet erstand privat, was ihm gefiel, nur durfte es nicht teuer sein. Denn Geldsorgen gab es durchaus im Hause Sauerlandt. Mit seiner Frau Alice und seinen sechs Kindern - fünf Töchtern und einem Sohn - wohnte er in einem Mietshaus in der Loogestraße 26, das er mit Kunst und Krempel voll stopfte. An den Wänden hingen Werke von Nolde und Schmidt-Rottluff, von Kirchner, Rolf Nesch und Karl Ballmer. Plastiken von Gustav Heinrich Wolff standen herum. Geld hat er dafür fast nie ausgeben müssen. Unter den Sammlern, die sich in der Kunsthallenschau „Picasso, Beckmann, Nolde und die Moderne“ vereinen, ist er der Mann, der von seinen Schützlingen so gut wie alle Bilder geschenkt bekam. Damit dankten sie ihm sein unermüdliches Eintreten für sie selbst und für ihre Kunst. Oft genug hat er sie durch Museumsankäufe und Vermittlung von Aufträgen vorm Verhungern bewahrt.

In der Ausstellung sind aus seinen Beständen fünf Gemälde von Nolde präsent, darunter die „Feriengäste“ von 1911, „ein Bild mit dem märchenhaft strahlenden Liebreiz einer völlig naiven Schöpfung“, so Sauerlandt. Er hat es übrigens ausnahmsweise einmal für 5600 Mark „privatim“ gekauft, fast zeitgleich mit dem „Abendmahl“, das er für Halle erwarb. Und Nolde schrieb ihm im Frühjahr 1913: „Meine ,Feriengäste’ hängen jetzt bei Ihnen. Die Farben sind festlich und heiter. Das blaue Gitter war mir so lieb. Ich danke Ihnen sehr, dass Sie das Bild nun haben.“ Im Ersten Weltkrieg stand Sauerland vier Jahre lang als Offizier an der Ostfront; der Maler schickte ihm zum Trost Holzschnitte und ein Aquarell ins Feld.

Am 5. April 1933 wird Max Sauerlandt wegen seines Eintretens für die Moderne als Museumsleiter beurlaubt. Trotzdem hält er im Sommersemester 1933 noch seine berühmte Vorlesung über deutsche Kunst der letzten dreißig Jahre - was ihn fast um Kopf und Kragen gebracht hätte. Am Neujahrstag 1934 stirbt Max Sauerlandt. Seine Freunde behaupteten, der Kummer über die Zeitläufe habe ihn umgebracht. Mag sein. Darüber hinaus litt er aber an einem viel zu spät entdeckten Magenkarzinom. Eine Gunst des Schicksals wurde dem Museumsmann aber doch zuteil, die den meisten anderen frühen Sammlern nicht vergönnt war. Während seine Sammlung moderner Kunst im Museum als entartet erklärt und zerschlagen wurde, blieb seine private Kollektion unentdeckt, zunächst treulich gehegt von seiner Frau Alice und dann von den Kindern.

Ein Besuch bei seiner heute 84-jährigen Tochter Katarina Kautzky macht das deutlich. Die ehemalige Ärztin lebt immer noch mit einer Fülle von Bildern und Objekten aus der Sammlung ihres Vaters. Da fällt ein Holzschnitt Noldes von Sauerlandt ins Auge, Ballmers Ölbild „Figürliche Komposition“ und der Bronzekopf „Emil Nolde“ von Gustav Heinrich Wolff.

Ada und Emil Nolde waren, so erinnert sich Katarina, mindestens zwei Mal im Jahr zu Gast im Hause Sauerlandt. Auf ihrer Fahrt von Berlin ins Sommerdomizil in Nord-Schleswig machten sie regelmäßig in Hamburg Station. Ein Tag im November 1928 gehört zu den schönsten Erinnerungen der Sauerlandt-Tochter. Sie war zwölf - und mit ihren Geschwistern allein zu Haus. Da rückten die Noldes unverhofft mit Pinseln und Farbtöpfen in der Loogestraße an.

Der Maler porträtierte die sechs Sauerlandt-Kinder eines nach dem anderen wie am Fließband. Eine hübsche Überraschung für die Eltern! Klar, dass das „Kinderbildnis Katarina Sauerlandt“ einen Ehrenplatz in Frau Doktor Kautzkys anregender Wohnung gefunden hat.


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