Hauptmenu |
Donnerstag, 10. Mai 2001 Viele Wege ins NichtsDas Haus am Waldsee (Berlin) zeigt Malerei der Hamburgischen Sezession aus der Sammlung Bunte.
DIE WELT online, Artikel vom 10.05.2001 Von Corinna Daniels Ihre Namen kennt man nicht. Hermann Stenner, Eduard Bargheer, Willem Grimm, Karl Kluth, Rolf Nesch oder Anita Rée. All diese Künstler verbindet, dass sie durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten in Vergessenheit gerieten. Gemeinsam ist ihnen auch, dass sich ein Sammler für ihre Kunst stark macht und sie wieder ins Licht der Öffentlichkeit rückt. Hermann-Josef Bunte hat in den vergangenen 30 Jahren die Kunst des westfälischen Expressionismus und der Hamburgischen Sezession gesammelt, um den Blick auf diese zu wenig beachteten Werke zu lenken. Auf Künstler der zweiten Reihe, von denen der eine oder andere sogar in der ersten Liga spielte, bevor die Karriere jäh endete. Stenner zum Beispiel fiel mit 23 Jahren bereits im Ersten Weltkrieg. Seine Mitstudenten an der Stuttgarter Kunstakademie, Oskar Schlemmer und Willi Baumeister, fanden: „Er hatte von uns das größte Talent.“ Der gebürtige Westfale stellte bei der Neuen Sezession in Berlin aus und bei der ersten deutschen Expressionismusschau in Dresden. Rund 250 Gemälde und 1000 Zeichnungen hinterließ er. Einen Schatz, auf dessen Spur der Jurist Bunte 1970 durch eine Ausstellung in Bielefeld stieß. Da war sein Sammelfieber entfacht, und im Berliner Haus am Waldsee kann man sich jetzt überzeugen, was für gesammelte Werte er mit archäologischem Spürsinn gehoben hat. Die „Auferstehung“ von Stenner, wenige Monate vor seinem Tod 1914 gemalt, steht dabei wie ein Symbol für die ganze Ausstellung, die neben ihm weitere Schüler von Adolf Hölzel vorstellt und in einem zweiten großen Block die Malerei der Hamburger Sezessionisten. In dieser 1919 gegründeten Künstlergruppe pflegte jeder seinen eigenen Stil. Deutlich wird die Bewunderung des „Brücke“-Expressionismus, aber auch der französische Einfluss, vermittelt durch den Maler Ivo Hauptmann, den Sohn des Dichters, der mit Paul Signac befreundet war. Um 1930 entwickelte sich dann ein einheitlicherer Stil der Sezession, der als „Hamburger Malerei“ auch überregional Anerkennung fand. Doch die Zeit des Erfolges währte nicht lange. 1933 erregte ein Gemälde von Kluth in der 12. Ausstellung der Sezessionisten heftiges Missfallen. Die Nazis machten sie dicht, und im Völkischen Beobachter war zu lesen: ",Sezessionisten’, das heißt ,Abgesonderte’, die nicht fähig und nicht gewillt sind, der starken Gemeinschaft unseres gesundeten Volkes zu dienen. Ihre Konjunktur ist vorüber.“ Den Stein des Anstoßes, der den Aufruhr auslöste, kann man im Haus am Waldsee besichtigen. Die Aufregung lässt sich nicht nachvollziehen, erscheinen die „Wegespuren“ doch als harmlose Landschaft. Aus Solidarität mit den jüdischen Mitgliedern der Gruppe, die man nicht ausschließen wollte, löste sich die Hamburgische Sezession 1933 auf. Nesch ging nach Norwegen und wurde dort der bedeutendste Künstler nach Munch, Anita Rée und Alma del Banco nahmen sich das Leben, Karl Ballmer emigrierte in die Schweiz, Arnold Fiedler nach Paris. So trennten sich die Wege, brachen ab und führten vielfach nicht weiter. Dass das Sammeln einen langen Atem erfordert, zeigt eine von Buntes jüngsten Erwerbungen. 20 Jahre brauchte er, um Victor Tuxhorns expressives Gemälde „Lüneburg“ der Tochter des Künstlers abzuluchsen. Nicht nur dieses Werk macht Lust auf einen Abstecher in die Neue Nationalgalerie, wo sich der Großstadt-Expressionismus von Ernst Ludwig Kirchner studieren lässt. Der Vergleich ist nicht uninteressant. Auf ihre Art waren die Hamburger Sezessionisten und die Expressionisten ähnlich fortschrittlich für ihre Zeit. Manches nehmen sie vorweg, was in den Sechzigern und Siebzigern als neu empfunden wurde. Bis 17.Juni, Argentinische Allee 30, Zehlendorf, Di-So 12-20 Uhr |