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Notizblatt, Lamone, 24. November 1954 ad Freud Mir hat es der Satz angetan, den Freud in der Unterhaltung mit v. Weizsäcker 1926 sprach (Natur und Geist, S.175): „Sie geben doch zu, dass die meisten Menschen dumm sind?”Als ich diesen Satz erstmals las, war eine tagelange Heiterkeit die Folge. Wegen dieses Satzes liebe ich Freud. Diese Selbsterkenntnis ist mir wichtig, weil ich mich gegen den Selbstverdacht wappnen muss: etwas in mir intendiere, sich über Freuds allgemeine Weltanschauung lustig zu machen. Ich liebe auch den Stilisten Freud – und leide beim Empfinden seiner Persönlichkeit an der Zwangsvorstellung: ein alter Römer, Jurist und Untersuchungsrichter ante Christum natum sei in die moderne medizinische „Psychologie“ übergewechselt. Freuds Ziel im Ganzen ist, das Ich der Menschenleute zu erkraften. Mir fiel das Unglück zu, außerhalb der Welt, in der Freud lebte, mich mit der Vermutung zu plagen, der Name „Ich“ stehe rechtmäßig einzig der WELT zu, was nicht ungefährliche Konvulsionen zur Folge hatte. Meine Katharsis mündete ein in das Verständnis von Übertragung. Ich hatte lange, angenommen, ich sei „ein Mensch“. Dann vollzog ich die Übertragung, indem ich begriff, dass die Namen „Ich“ und „Mensch“ die WELT bezeichnen, und dass die Welt außerdem einen persönlichen Eigennamen hat: Franz Kunz. In dieser Endlösung im Kampf um die Übertragung erblicke ich die Chance, die Macht des Ichs der Menschenleute zu stärken. Fest steht, dass die Psychotherapeuten nicht von der beschwerlichen Aufgabe entbunden werden können, den Menschenleuten – wiederum – Gott zu zeigen. Mit Pfiffigkeit, d.h. mit ein bisschen Theologenblut in den Adern der Züricher Tiefenpsychologie, ist die Aufgabe nicht erkennbar. Der Theosoph über Jung (Vortrag am 22. Januar 1918 in Berlin, anlässlich des Erscheinens des Buches von Jung „Psychologie der unbewussten Prozesse“ – jetzt in 4. Aufl. unter dem Titel: „Das Unbewusste im normalen und kranken Seelenleben“): „Daher spricht er den Satz aus, der ganz berechtigt ist aus der modernen Weltanschauung heraus: Die Menschenseele kann, ohne dass sie innerlich zugrunde geht, nicht ohne Beziehung zu einem göttlichen Wesen sein. Dies ist ebenso sicher, wie es auf der anderen Seite sicher ist, dass es ja ein göttliches Wesen gar nicht gibt. Die Frage nach der Beziehung des menschlichen Seelenwesens zum Gotte hat mit der Frage der Existenz Gottes nicht das geringste zu tun. So steht es in seinem Buche. Also bedenken wir, was da eigentlich vorliegt: Es wird wissenschaftlich konstatiert, dass die Menschenseele sich ein Verhältnis zu Gott konstruieren muss, dass es aber ebenso sicher ist, dass es töricht wäre, einen Gott anzunehmen; also ist die Seele zu ihrer eigenen Gesundheit verurteilt, sich einen Gott vorzulügen. Lüge dir vor, dass es einen Gott gibt, sonst wirst du krank! Das steht eigentlich in dem Buch.“
Freuds perfekter Atheismus hat mich nie beunruhigt, da ich nie einzusehen vermochte, wie man es von der Universität her redlicherweise anstellen sollte, nicht Atheist zu sein.
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