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Gedanken habenDie gekrachte Schublade – 15. Mai 2025

Lamone, 17. Mai 1955

Lieber Hans,

Der Schlüssel zum Verständnis der Mauthner-Angelegenheit liegt in dem Satze „Allg. Menschenkunde“ S. 123: „Wir haben nicht angefangen zu leben, als wir die Menagerie betraten und den Blick auf den Löwen gerichtet haben. Das schließt sich an das vorherige Leben an, und das vorherige Leben spielt da hinein.“ Demgegenüber ist der „Logiker“ (Erkenntnistheoretiker) ein solcher, der genau in dem Momente zu leben anfängt, wenn er in der Menagerie dem Löwen gegenübertritt. Der ideale Erkenntnistheoretiker ist ein gleichsam Toter, der sich in jedem Augenblicke auferweckt. Er tritt in „WAHRHEIT UND WISSENSCHAFT“ auf in dem Satze: „Wenn ein Wesen mit vollentwickelter menschlicher Intelligenz plötzlich aus dem Nichts geschaffen würde (sich aus dem Tode auferwecken würde) und der Welt gegenüberträte, so wäre der erste Eindruck, den letztere auf seine Sinne und sein Denken machte, etwa das, was wir mit dem unmittelbar gegebenen Weltbilde bezeichnen.“ Der Standpunkt des „Logikers“ (Erkenntnistheoretikers) ist also, als der Standpunkt Gottes, ein ungeheuer anspruchsvoller. Mauthner ist nun der Mann, der gegenüber den vor R. St. (seit Aristoteles) aufgetretenen „Logikern“ den Verdacht hat, dass sie sich zu Unrecht den Standpunkt und Verstand Gottes anmaßen. Davon kommt dann seine Geringachtung der „Logik“.

Der erste Vortrag des Zyklus 33 enthält die Belehrung, dass die Menschen keine Gedanken haben. Die etwas heikle Aufgabe, den Anthroposophen mitzuteilen, dass auch sie keine Gedanken haben, löst R. St. in der folgenden Weise: „Wann spricht man zu den Menschen von ‘Gedanken’? Wenn man z.B. sagt, die Tiere und Pflanzen hätten ‘Gruppenseelen’. Ob man sagt ‘allgemeine Gedanken’ oder ‘Gruppenseelen’, das kommt für das Denken auf dasselbe hinaus. Aber die Gruppenseele ist nicht anders zu begreifen als dadurch, dass man sie in Bewegung denkt, in fortwährender, äußerlicher und innerlicher Bewegung; sonst kommt man nicht zur Gruppenseele. Aber das lehnen die Menschen ab. Daher lehnen sie auch die ‘Gruppenseele’ ab – lehnen also den allgemeinen Gedanken ab.“

Konklusion: Wer die „Gruppenseele“ nicht als Intuition zu denken vermag, hat keinen „allgemeinen Gedanken“.

Wenn die Anthroposophen den „allgemeinen Gedanken“ nicht zu denken vermögen, so sollten sie sich wenigstens Vorstellungen zu bilden versuchen über Den, der den allgemeinen Gedanken hat und denkt…

Wenn die Körper der Menschenleute „Ich“ piepsen, so sagt stets der Eine (der Gott Menschenkörper) „Ich“. Die Löwen, die Schneeglöckchen und die Kieselsteine piepsen nicht „Ich“, sie sind ihr „Ich“ (d.h. ihre unmittelbare Göttlichkeit, oder ihre „Gruppenseele“) auf besondere Art. – Jedenfalls sollten sich die Anthroposophen entschließen, unter dem „allgemeinen Gedanken“ unmittelbar den ICH vorzustellen.

Wenn die Anthroposophen den „Gedanken“ schon nicht selbst haben können, könnten sie sich immerhin Vorstellungen darüber machen, was der „allgemeine Gedanke“ ist.


Erläuterung

Mit seinem Freund Hans GessnerHans Gessner (1898-1986), der in seine Nähe gezogen war, befand sich Ballmer oft in persönlichem Austausch. Diesem Brief ging ein solcher Austausch voraus. Die Vortragsstelle aus „Zyklus 33“ (Berlin, 20. Januar 1914) findet man in GA 151, S. 18.

👉 Aus der „gekrachten SchubladeDie gekrachte Schublade“ bekommen Sie wechselnd verschiedene Texte von Karl Ballmer zu lesen. Bei der Auswahl gilt das Motto von Rudolf Steiner: „Es muss der Zufall in seine Rechte treten.“ Besuchen Sie diese Seite also öfter. Bei Fragen kontaktierenKontakt/Impressum Edition LGC Sie uns bitte.

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