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Sonntag, 24. August 2003

Kunst der 20er Jahre in Hamburg

24. August bis 4. Januar 2004, Hamburger Kunsthalle

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[Aus der Website der Hamburger Kunsthalle]

[Originaladresse am 21.10.2003: http://www.hamburger-kunsthalle.de/archiv/seiten/kunstinhh_1.html]

24. August bis 4. Januar 2004

Altbau | Hamburger Gang

Die Anfänge der Hamburgischen Sezession

Die zeitgenössische Kunst in Hamburg fördern – das war Heinrich Steinhagens erklärtes Ziel, als er 1919 eine Künstlervereinigung plante. Der Maler und seine Freunde wollten die Hamburger Kunstszene nach dem Ersten Weltkrieg neu gestalten. In Anlehnung an Künstlerorganisationen in Berlin und München nannten sie ihre Vereinigung „Hamburgische Sezession“.

Ihre erste Ausstellung fand 1919 in den Räumen des Kunstvereins im Altbau der Kunsthalle statt. Im dazugehörigen Katalog ist zu lesen: „Der Künstler, der schaffen soll, kann nur in einer bestimmten Atmosphäre gedeihen. Es ist ihm Lebensnotwendigkeit, um sich ein Milieu zu haben, in dem er geistige Reibung, Verständnis und damit Unterstützung zum mindesten bei Gleichgesinnten findet. In Paris, München, Berlin findet der Künstler diese Atmosphäre. In Hamburg vermißt er sie.“

Anita Ree

Neben Ausstellungen versuchten die Sezessionisten die Kulturlandschaft ihrer Stadt durch Lesungen, Konzerte und Künstlerfeste zu bereichern. Von 1928 bis 1933 fanden im Curiohaus zur Faschingszeit „Zinnober“-Feste statt. Alle Mitglieder der Hamburgischen Sezession zogen sich zu diesen Feiern rote Kappen und Pullover zu weißen Hosen an. Die „Zinnober“-Feste waren zwar weniger prachtvoll als andere Künstlerfeste, überzeugten aber durch ihre satirischen Revuen, Faltblätter und Almanache.

Für die Sezessions-Mitglieder stand die Gemeinschaft an erster Stelle, einen gemeinsamen Malstil gab es jedoch lange Zeit nicht. „Die Werke der ersten Ausstellung beweisen Duldsamkeit gegen jede Richtung“, heißt es im Katalog. Friedrich Ahlers-Hestermann, Gretchen Wohlwill, Alexandra Povòrina und Alma del Banco orientierten sich nach Paris-Aufenthalten an französischen Malern wie Henri Matisse und Paul Cézanne. Die Mehrheit der Sezessions-Künstler aber arbeitete nach dem Ersten Weltkrieg expressionistisch.

Karl Kluth

Doch schon bald fanden Künstler wie Otto Rodewald und Anita Rée mit der Neuen Sachlichkeit zu einer realistischen, strukturierten Malerei zurück; andere, darunter Alexandra Povòrina, trennten sich komplett von der Gegenständlichkeit und malten abstrakt. Gemeinsam war den Mitgliedern der Sezession zu Anfang vor allem ihre Experimentierfreudigkeit.

Die Kunsthalle als Auftraggeber

Den Erweiterungsbau der Kunsthalle initiierte der einstige Direktor der Kunsthalle Alfred Lichtwark (1852-1914), eröffnen konnte ihn allerdings erst sein Nachfolger Gustav Pauli. Zur Ausschmückung des neuen Hauses beauftragte Pauli eine Reihe von Künstlern. Der Österreicher Carl Otto Czeschka, Lehrer an der Hamburger Kunstgewerbeschule, gestaltete die Wände in den Ausstellungsräumen des Obergeschosses farblich-ornamental. Ansonsten betrafen die Dekorationen vor allem Räume, in denen keine Ausstellungen stattfanden. Für den Garderobenbereich, links und rechts neben den Stufen zur Rotunde, gestaltete der Bildhauer Oskar Ulmer zwei überlebensgroße Adam- und Eva-Figuren. Sie sind heute im Stadtpark aufgestellt. Drei Mitglieder der „Hamburgischen Sezession“ erhielten ebenfalls Aufträge. Von Friedrich Ahlers-Hestermann ist ein Entwurf für eine farbige, aus floralen Ornamenten bestehende Wandmalerei im Windfang des Haupteingangs bekannt. Unklar ist jedoch, ob es je zur Ausführung kam. Realisiert wurde 1921 ein Entwurf Ahlers-Hestermanns für die Wand mit drei Türen im damaligen Geschäftszimmerflur: drei Rundbilder mit Allegorien der Malerei, Plastik und Architektur sowie gemalten Blumengirlanden auf gelbem Grund. Dort hängen sie jetzt wieder.

Für das Foyer des Vortragssaales (später TiK, demnächst Hubertus-Wald-Forum) entwarf der Bildhauer Friedrich Wield ab 1922 eine große „Schalenträgerin“ aus Kalkstein, die an zentraler Stelle zwischen den beiden Eingängen zum Saal stand. Links und rechts neben ihr hingen friesartig, knapp unterhalb der Decke, vier querformatige Gemälde von Dorothea Maetzel-Johannsen. Wo genau sich im Foyer ein fünftes, sechseckiges Gemälde von ihr befand, lässt sich nicht rekonstruieren.

Über diese Aufträge hinaus unterstützte die Kunsthalle jüngere Künstler wie Friedrich Wield oder Heinrich Steinhagen, indem sie ihnen im Haus ein „Staatsatelier“ zur Verfügung stellte.

Die letzten Jahre der Hamburgischen Sezession

Erst als der Künstlervereinigung zwischen 1929 und 1932 eine jüngere Künstlergeneration beitrat, entwickelte sich ein gemeinsamer Sezessions-Stil. Ihr Vorbild war der Norweger Edvard Munch. Generell erstarkte während der Weimarer Republik das Interesse am Norden. Schon bald sprachen die Kritiker daher von einer „Nordischen Renaissance“.

Obwohl Edvard Munch und Emil Nolde dank des Sammlers Gustav Schiefler schon früh in Hamburg bekannt wurden, beeinflussten sie die Künstler der Hansestadt erst in den späten zwanziger Jahren. Die Künstler fassten das Dargestellte nun großflächig zusammen und setzten farbige Konturlinien ein, die die Motive frei und zum Teil skizzenhaft umspielen.

Der Maler und Graphiker Karl Kluth wollte um 1930 gar eine Sezessions-Schule bilden. Doch nicht nur junge, sondern auch ältere Mitglieder der Sezession wie Gretchen Wohlwill und Fritz Flinte nahmen den neuen Malstil auf. Der Sezessions-Stil inspirierte zudem Nicht-Mitglieder wie beispielsweise den Maler und Graphiker Ernst Witt.

Der Hamburger Anzeiger schrieb über die elfte Sezessions-Ausstellung, die im Kunstverein stattfand: „Ist es Stärke oder ist es norddeutscher Konservatismus, der hier die Linie von Munch, dem großen Norweger, der fast in allen anklingt, von manchen freilich auch nur nachgeahmt wird, über die deutschen Expressionisten gradlinig weiterführt, zu einer weniger erregten, dennoch ausdrucksvollen Malerei?“ Eduard Bargheer, Karl Ballmer und Rolf Nesch entwickelten den Sezessions-Stil im Laufe der Zeit zu einer immer individuelleren Malweise weiter. Die zwölfte Ausstellung der Hamburgischen Sezession ließen die Nationalsozialisten zwei Wochen nach ihrer Eröffnung am 27. März 1933 schließen. Die Begründung lautete, dass „die Ausstellungsobjekte in ihrer überwältigenden Mehrzahl zur Förderung des Kulturbolschewismus geeignet sind“. Kurz darauf wurde von der Hamburger Künstlergruppe verlangt, ihre jüdischen Mitglieder auszuschließen. Die Sezessionisten entschieden daraufhin am 16. Mai 1933 einstimmig, sich stattdessen aufzulösen. Das Geld ihres Vereins vertranken sie noch gemeinsam.

Expressionismus

In Deutschland nahm die expressionistische Malweise 1905 mit der Dresdner Künstlergruppe „Brücke“ ihren Anfang. Der Begriff „Expressionismus“ selbst tauchte jedoch erst 1911 in Herwarth Waldens Zeitschrift „Der Sturm“ auf. Anfangs heftig angefeindet, entwickelte sich die Kunstrichtung nach dem Ersten Weltkrieg zum allgemeinen Zeitstil. Die Künstler wollten nicht mehr äußere Eindrücke, sondern ihr Innenleben wiedergeben. In leuchtenden Farben malten sie großflächige Formen mit scharfen Konturen.

Auch bei der ersten Ausstellung der Hamburgischen Sezession 1919 dominierte die expressionistische Formensprache.

Das Sezessions-Mitglied Erich Hartmann war einer der wichtigsten Hamburger Expressionisten. Seine Figuren- und Landschaftsdarstellungen sind von der „Brücke“ und Henri Matisse beeinflusst, beinhalten jedoch auch kubistische Elemente.

Heinrich Stegemanns Gemälde und graphische Arbeiten zeigen, bis sich der Künstler der Neuen Sachlichkeit zuwandte, ebenfalls expressionistische Züge.

Emil Maetzel entdeckte durch den „Brücke“-Künstler Karl Schmidt-Rottluff die Form und Aussagekraft ¨primitiver¨ Skulpturen für sich. Seine Frau Dorothea Maetzel-Johannsen hatte um 1919 die „Brücke“-Mitglieder Ernst Ludwig Kirchner und Erich Heckel als Vorbilder. Neben der Sezession beeinflussten andere expressionistische Gruppierungen die Kunstwelt der Hansestadt. Der Jurist und Dramaturg Lothar Schreyer (1886-1966) machte Hamburg 1917/18 zur bedeutendsten Zweigstelle der Berliner Kunstbewegung „Sturm“. Ab 1917 leitete er die 1910 gegründete Zeitschrift „Der Sturm“ von Hamburg aus. Überdies veranstaltete Schreyer in der Musikhalle „Sturm-Abende“, organisierte „Sturm“-Ausstellungen und war selbst künstlerisch tätig. In dieser Ausstellung ist er mit drei Graphiken, auf denen abstrahierte Marionetten dargestellt sind, vertreten.

Karl Lorenz

Der bedeutendste Hamburger Dichter des Expressionismus, Karl Lorenz (1888-1961), gab in den zwanziger Jahren mehrere expressionistische Zeitschriften heraus. Überdies war er von 1919 bis 1923 der Verleger der herausragenden Zeitschrift „Die Rote Erde“. Lorenz arbeitete oft mit Mitgliedern der Hamburgischen Sezession zusammen an Publikationen. Daneben war er selber als bildender Künstler tätig. 1923 verließ Karl Lorenz Hamburg und zog nach Malente-Gremsmühlen, wo er im Jahr darauf die „Turmpresse“ gründete. Darin gab er eine Vielzahl von expressionistischen Handdrucken heraus, von denen er selten mehr als 25 Exemplare pro Druck fertigte. Karl Lorenz bezeichnete seine Drucke als „Farbwerke“. Die Bild- und Texttafeln der „Turmpresse“ sind nach dem Vorbild mittelalterlicher Blockbücher großformatig in Holz geschnitten. Beim Kolorieren verwendete Lorenz zwei Verfahren: Entweder er druckte wie Edvard Munch zunächst die Farbpartien und anschließend darüber den Schwarzdruck, oder er kolorierte die Schwarzdrucke zum Schluss mit der Hand. Lorenz’ Ziel waren einfache, volkstümliche Drucke mit intensiv leuchtenden Farben. Die Bildtafeln haben keinen direkten Bezug zum Text; ihre Motive sind eine Ergänzung der Schriften.

Bei den mehr als 150 Texten, die Lorenz für seine Buchwerke auswählte, handelt es sich um Auszüge aus den Werken großer Schriftsteller wie Goethe, Nietzsche und Heine, aber auch um seine eigene Dichtung. Im Prospekt zu seiner Werkausgabe von 1922 heißt es: „Der Dichter Karl Lorenz ist in unserer Zeit einer der stärksten, eigenartigsten und tiefsten Sprachschöpfer auf deutschem Boden. Seine Sprache ist bewegt und reich, bunt und glühend.“ Durch die „Turmpresse“ überlebte der expressionistische Gedanke das eigentliche Ende der Bewegung um mehrere Jahre.

1933 wurde Karl Lorenz vorübergehend in „Schutzhaft“ genommen. Die Nationalsozialisten griffen seine Zeitschrift an, und er musste Gutachten über ihren künstlerischen Wert erbringen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte Lorenz aus Malente-Gremsmühlen nach Hamburg zurück, wo er im Februar 1961 verstarb.

Hamburger Malerinnen

Die Malerinnen am Anfang des 20. Jahrhunderts hatten insofern eine Sonderrolle inne, als Frauen noch um 1890 nicht zum Studium an staatlichen Akademien zugelassen wurden. Zum bürgerlichen Bildungsideal gehörte es lediglich, Töchter zu gebildeten und unterhaltsamen Hausdamen zu erziehen. Infolgedessen bekamen damals viele junge Damen Privatunterricht. In Hamburg gründete Valesca Röver 1891 eine private Kunstschule. Das besondere an ihrem Institut war, dass der Unterricht von avantgardistischen Künstlern wie Friedrich Ahlers-Hestermann, Erich Hartmann und Eduard Bargheer abgehalten wurde, später auch von Karl Kluth und Emil Maetzel. Aus dieser Schule sind die Künstlerinnen Gretchen Wohlwill und Alma del Banco hervorgegangen. Die Malerin Anita Rée hingegen war zunächst Privatschülerin von Arthur Siebelist, später von Franz Nölken.

Alle drei Künstlerinnen stammten aus jüdischen Familien. Anita Rée und Alma del Banco wurden jedoch christlich erzogen; Gretchen Wohlwills Eltern wandten sich ganz vom Glauben ab. Für die Kunst verzichteten die Malerinnen auf eine Familie. Als 1919 die Hamburgische Sezession gegründet wurde, zählten sie zu den Gründungsmitgliedern.

Im Dritten Reich hatten Rée, del Banco und Wohlwill doppelt zu leiden: zum einen wegen ihrer jüdischen Herkunft, zum anderen galt ihre Kunst bei den Nationalsozialisten als entartet.

Gretchen Wohlwill verlor 1933 ihre Stelle als Zeichenlehrerin an der Emilie-Wüstenfeld-Schule. 1940 emigrierte sie nach Lissabon. Nach dem Krieg kehrte sie als einzige jüdische Künstler-Emigrantin nach Hamburg heim. Anita Rée zog sich bereits 1932 nach Sylt zurück. Körperlich und seelisch krank, setzte sie ihrem Leben am 12. Dezember 1933 ein Ende.

Als Alma del Banco am 7. März 1943 einen Deportationsbescheid bekam, nahm auch sie sich das Leben.

Schwere Schicksalsschläge ereilten auch die in Dresden geborene Malerin Elfriede Lohse-Wächtler. Die psychisch Kranke wurde am 12. August 1940 im Zuge der nationalsozialistischen Euthanasie-Verbrechen vergast.


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